ONLINESEMINARE

Harri Fechtner

Organisationsvertrauen-4-Change

– Zusammenfassung einer IMO-Studie –

In der IMO-Studie „Organisationsvertrauen-4-Change“ wird der aktuelle Forschungsstand zum Themenfeld Vertrauen in Organisationen beleuchtet, um die Fähigkeit von Organisationen, Vertrauenskompetenz zu entwickeln, zu erhöhen. Die Studie zeigt, wie Vertrauenspotential gezielt aufgebaut wird, um in der Organisation wichtige Voraussetzungen für Innovationen und Veränderungen – für Change-Management zu schaffen. Mit dem IMO-VertrauensinventarTM, einem Monitoring-Instrument des Change-Managements, kann eine gezielte profunde Analyse des Vertrauenspotentials erfolgen. 1

In der IMO-Studie „Organisationsvertrauen-4-Change“ wird der aktuelle Forschungsstand zum Themenfeld Vertrauen in Organisationen beleuchtet, um die Fähigkeit von Organisationen, Vertrauenskompetenz zu entwickeln, zu erhöhen. Die Studie zeigt, wie Vertrauenspotential gezielt aufgebaut wird, um in der Organisation wichtige Voraussetzungen für Innovationen und Veränderungen – für Change-Management zu schaffen. Mit dem IMO-VertrauensinventarTM, einem Monitoring-Instrument des Change-Managements, kann eine gezielte profunde Analyse des Vertrauenspotentials erfolgen.   

1.    Worum geht es in Zeiten der Veränderung?
In Zeiten der Veränderung lässt sich Vertrauen nicht mehr über eine persönliche Vertrautheit entwickeln und stabilisieren. Vielmehr geht es darum, wie Bedingungen für Vertrauen überhaupt erst entstehen können und wie in Organisationen vertrauenskompetent gehandelt werden kann. Gerade im Hinblick auf Innovationen und Change-Prozesse setzt funktionierende Zusammenarbeit in Organisationen Vertrauen grundlegend voraus. 
Treiber und Träger von innovativen Handlungen sind die Mitarbeitenden. Daher gilt es, das Vertrauen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken und gleichzeitig innovationsförderliche Arbeitsumfelder zu entwickeln.
Folgende Fragestellungen werden aufgegriffen:

  • Welche Bedingungen können Organisationen schaffen, um…
    a)    das Vertrauen zwischen den Beschäftigten zu fördern?
    b)    selbst das Vertrauen der Mitarbeiter:innen zu gewinnen?
  • Wie verändern Umstrukturierungen und Change-Prozesse den Bedarf an Vertrauen? 
  • Gibt es neben Vertrauen alternative Strategien zur Absicherung von Veränderung? 

2.    Vertrauen als Handlungsstrategie
Vertrauen wird als Beziehungsphänomen verstanden, d. h. als Verhaltensentscheidung zum freiwilligen Erbringen einer riskanten Vorleistung Dies ist i. d. R. ein Überlassen oder das Gewähren-lassen der Handlung eines Dritten. Gerade Veränderungen wie der Abbau von Führungsebenen und das Ermöglichen vermehrter Selbststeuerung führen zu einer Komplexitäts-erweiterung, die Vertrauen notwendig macht. Es stellt sich jedoch auch die Frage, ob Organisationen sich, ihre Mitarbeitenden sowie das Vertrauenskonzept prinzipiell überfordern, wenn ein „Dauervertrauen“ gefordert wird und permanent Vertrauenswürdigkeit demonstriert werden soll.

Entgegen einer alltagssprachlichen Auffassung wird Vertrauen in unserem Konzept nicht auf vertraute Handlungsschemen, gegenseitige Sympathie und ein Wohlfühlklima reduziert. Vielmehr wird Vertrauen als – nicht immer bewusste – Strategie verstanden, die Handlungssicherheit ermöglicht – in der zunehmend komplexen, nicht kalkulierbaren, kaum noch prognostizierbaren aber sich ständig veränderbaren Welt.2 Sind entscheidungsrelevante Informationen oder verbindliche und akzeptierte Regelungen nicht hinreichend verfügbar, ermöglicht Vertrauen das Akzeptieren von Komplexität und Unsicherheit. Anstelle von Vertrauen kann jedoch auch auf Misstrauen als Strategie (z. B. in Form von Kontrollen) zur Komplexitätshandhabung und Handlungsorientierung zurückgegriffen werden.

3.    Alternative Handlungsstrategien
Anstelle eines umgangssprachlichen Verständnisses von Vertrauen als bipolares Konzept („Vertrauen“ vs. „Misstrauen“), geht unser Konzept von einer Multidimensionalität von Handlungsorientierung und Handlungssicherheit in sozialen Beziehungen aus3 : „Vertrauen“ und „Misstrauen“ stellen demnach unabhängige Verhaltensstrategien dar. Darüber hinaus stellt eine dritte Dimension eine alternative Handlungsoption dar: professionelles, regelgebundenes gegenseitiges Verhalten stellt unter geeigneten Verhältnissen eine Handlungsstrategie dar, die wir als „Professionalität“ bezeichnen wollen. Professionalität zeichnet sich durch Neutralität, Emotionsfreiheit und Erwartungssicherheit im Handeln der Akteure aus. Die entscheidende Basis für solche – in diesem Sinne – professionelle Umgangsweisen in einer Organisation ist das „Organisationsvertrauen“, das – durchaus auch emotional unterlegte – Vertrauen in die Organisation und ihre Repräsentanten.

4.    Personales Vertrauen aufbauen
Die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit einer Person scheint nach der Mehrzahl der Studien der letzten 30 Jahre durch drei Hauptfaktoren4 determiniert: Kompetenz (1), Wohlwollen (2) und Integrität (3). Die Zuschreibung positiver Ausprägungen dieser drei Handlungsfelder zu einer Person ermöglicht das Entstehen von interpersonalem Vertrauen.
Die Neigung, Vertrauen in eine Person oder Organisation zu investieren, ist insbesondere davon abhängig, inwieweit die bisherigen Erwartungen des Vertrauensinvestors in das Verhalten des Vertrauensnehmers erfüllt wurden. Dabei ist die Einschätzung einer Person als „vertrauenswürdig“ – und damit in der Folge die Neigung, Vertrauen zu investieren – primär von der jeweiligen Situation und den Erfahrungen in der Beziehung abhängig und nicht von der Person oder ihrem Charakter. Eine derartige Entscheidung zu Vertrauen führt so zu einer fiktiv-positiven Erwartungssicherheit der vertrauenden Person.
Eine Vertrauenshandlung setzt die Beziehung zu einer anderen Person und die daraus resultierende gegenseitige Abhängigkeit voraus. Sie generiert Erwartungen und verpflichtet beide Akteure, das zu verantworten, was – möglicherweise – mit der jeweiligen Entscheidung für die Zukunft der Beziehung ausgelöst wird. Vertrauen lässt sich deshalb auch nicht auf eine Risikoabwägung reduzieren, zusätzlich bedarf es eines – sich auf emotionale Gründe aus einer sozialen Beziehung stützendes – „Investieren“, ein freiwilliges „Sich-Einlassen“ auf ein freies Handeln eines Dritten. 

5.    Psychologischer Vertrag als Vertrauensgrundlage
Das Vertrauen in die Organisation ist von den informellen („psychologischen“) Verträgen zwischen den Beschäftigten und der Organisation abhängig. Das Konzept des informellen „psychologischen Vertrages“ geht von der unvermeidlichen Unvollständigkeit des expliziten Arbeitsvertrages aus, der eine unausgesprochene, informelle Ergänzung verlangt, um Erwartungssicherheit zu ermöglichen. 
Change-Prozesse führen mit ihren Umbrüchen permanent zu einer Änderung der psychologischen Verträge. Seitens der Organisation ist dies typischerweise verbunden mit (An-)Forderungen nach verstärkter Eigenverantwortung, Mitdenken und sogenanntem Mitunternehmertum bis hin zur Verantwortung für die eigene Beschäftigungsfähigkeit und Vermarktung am Arbeitsmarkt – mit nur geringer Unterstützung durch die Organisation.

6.   Wirkungen von Organisationsvertrauen

Organisationsvertrauen ist unabdingbar für das Funktionieren von Arbeitsprozessen und Regelungen. Unter Organisationsvertrauen wird die Erwartung verstanden, dass die Institutionen und Strukturelemente der Organisation, die Funktionen umsetzen und die Ziele realisieren, für die sie geschaffen wurden. 
Organisationsvertrauen kann entstehen, wenn die Organisation vertrauenswürdig erscheint, eine Struktur von akzeptierten, selbstverständlich geltenden Interaktionsstandards besteht und wenn Erwartungssicherheit geschaffen wird. Diese Zuversicht auf die Regelhaftigkeit und Wirksamkeit der Interaktion mit anderen Organisationsteilnehmern kann als Nährboden für die Ausbildung von interpersonalem Vertrauen verstanden werden.
Regelhaftigkeit und Organisationsvertrauen reduzieren den Bedarf an persönlichen Vertrauensentscheidungen und ermöglichen eine höhere Komplexität und zugleich eine höhere Flexibilität der Organisation, z. B. bei der Gestaltung neuer Organisationsformen.

7.    Vertrauensbewusstes Management
Organisationsvertrauen basiert auf einer erkennbaren Identität einer Organisation, welche durch die Unternehmenskultur gestaltet wird.

Das Etablieren eines vertrauensbewussten Managements verändert die Führungsbeziehung und das Verhältnis von Organisation und Mitarbeitenden entscheidend: Die Organisation wird zum Initiator und folglich zum Vertrauens-Nehmer in der Vertrauensbeziehung. Hierfür müssen vertrauenstoxische Verhältnisse, wie z. B. etablierte Kontrollstrukturen, abgeschafft bzw. reduziert werden. Toxische Effekte können aber auch über verschärfte Karriereanreize, Wettbewerbs- und Sanktionsmechanismen hervorgerufen werden, da sie das Erscheinungsbild der Organisation, ihre Identität beschädigen.

8.    Change-Prozesse und Organisationsvertrauen 
Bei einer Reorganisation ändern sich etablierte und eingespielte Rollen und Arbeitsabläufe und damit die Organisations-Identität. Dies wirkt sich auf das Organisationsvertrauen aus und erschwert das damit eng verknüpfte Einhalten des psychologischen Vertrags. 
Bei einer höheren Differenz zwischen eigenen Erwartungen und den Unterstützungsangeboten des Arbeitgebers steigt bei Mitarbeiter:innen tendenziell das Gefühl einer unfairen Behandlung. Fehlt Fairness, reagieren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit emotionalem Rückzug, mit häufigen Fehlzeiten und Widerstand bei Veränderungen. 
Mit der Änderung von Regeln und Prozessen sinkt zudem das Vertrauen in die Organisation und damit deren Handlungsspielräume zur Gestaltung der Organisationskultur, da sich die Mitarbeiter:innen nicht mehr auf die Veränderungen einlassen. Dies gilt auch für einen Teil der Führungskräfte, wenn in Veränderungsprozessen im Mittelmanagement eine Strategie des „Abwartens“ entsteht. Diese dient zwar der einzelnen Führungskraft zur Risikovermeidung, erzeugt jedoch in der Organisation vertrauenstoxische Wirkungen. 

9.    Vertrauensbewusstes Management-4-Change
Als wesentliches Instrument für die Gestaltung eines vertrauensbewussten Change-Managements stellt sich die Institutionalisierung vertrauensvoller Vorgehensweisen in den Strukturen und Instrumenten der Organisation heraus. Nach einer Vielzahl von Vorleistungen im Sinne von Vertrauenshandlungen kann sich in der Organisation eine vertrauensförderliche Kultur bilden.

Ein partizipatives Vorgehen in Veränderungsprozessen setzt – neben interpersonalem Vertrauen und Organisationsvertrauen – insbesondere Selbstvertrauen und Ambiguitätstoleranz voraus. Somit kommt es darauf an, dass sich Mitarbeiter:innen beteiligen wollen und können (a), wie auch, dass sich die Organisation und ihre Repräsentanten selber zutrauen, sich mit abweichenden Meinungen, alternativen Vorschlägen und Interessenabwägungen auseinanderzusetzen (b). 

10.     Wiederentdeckung des Vertrauens
Aufgrund ihrer größeren wirtschaftlichen Stärke wird die Organisation in der Verantwortung gesehen, die Bedingungen für interpersonalem Vertrauen wie für Organisationsvertrauen erfahrbar zu machen: Personales Vertrauen folgt Organisationsvertrauen.

Wie könnte so eine Strategie der Organisationsentwicklung gestaltet werden, die Vertrauen zur Grundlage erfolgreicher Veränderungsprozesse macht?5  

1.    Vertrauen sollte als Basis für erfolgreiche Veränderungsprozesse grundlegend veran-kert werden. 
2.    Als Strategie der Organisationsentwicklung sollten die Führungskräfte befähigt wer-den, zusammen mit ihren Mitarbeiter:innen in geeigneten Interaktionsformaten …

  • das Selbstvertrauen zu entwickeln, um die von der Organisation erst noch zu schaffenden Freiräumen zu nutzen
  • eigene soziale Handlungsstrategien vor dem Hintergrund von Ambiguität und Pa-radoxie des sozialen Umfeldes innerhalb und außerhalb der Organisationen zu entwickeln.

Dadurch sollen die Organisationsmitglieder von einem Modus „Entweder (Vertrauen) - Oder (Misstrauen)“ hin zu einem Sowohl-als-Auch-Denken begleitet werden.

Es geht um die Evolution des Vertrauens in der Organisation. Dieses setzt voraus, auch die Führungsrolle anders zu denken und neu zu definieren. Die Aufgabe der vertrauens-bewussten Führungskraft ist es, den Status-Quo im Unternehmen zu verändern und damit die Dinge zu beseitigen, die das Unternehmen bürokratisch, eng, autistisch, hierarchie- und vertikalbezogen machen.

Statt sich einem Steuerungsmythos hinzugeben, sollten Führungskräfte Regelungen zurück-fahren und Freiräume öffnen, zulassen, dass sich die Mitarbeiter:innen selbst organisieren.
Vertrauenskompetenz fragt: Ist die Organisation in der Lage, die Bedingungen der Möglichkeit von Vertrauen herzustellen? Ziel ist es, das Vertrauenspotential ihrer Mitglieder auszuschöp-fen. Dies gelingt, indem…

  • die Beschäftigten individuell zu verschiedenen Handlungsstrategien – insbesondere zu Vertrauen wie zu Professionalität – befähigt werden.,eine vertrauensförderliche Kultur und Organisations-Identität gestaltet und vertrauens-toxische Strukturen abgebaut werden,

In der vorliegenden Arbeit stellte sich Organisationsvertrauen als essentieller Faktor für ein generelles Funktionieren von Arbeitsprozessen und Regelungen wie auch für Vertrauen in Veränderungsprozessen heraus. 
Als Grundvoraussetzung für die Entstehung von Organisationsvertrauen … 

  • muss eine Struktur von akzeptierten, selbstverständlich geltenden Interaktionsstan-dards sowie Orientierungs- und Erwartungssicherheit bestehen, 
  • muss das Agieren der Organisation und ihrer Repräsentanten vertrauenswürdig er-scheinen,
  • sollten alle Beteiligten befähigt werden, sich mit Selbstvertrauen und Ambiguitätstole-ranz Freiräume zu erarbeiten und eigenverantwortlich zu nutzen. 

Vertrauen ist kein Allheilmittel für die selbst erzeugten Dilemmata von Organisationen, aber ein reflektiertes Vertrauensverständnis hilft, Innovationen und Veränderungen erfolgreich(er) zu gestalten, insbesondere dadurch, dass sich Mitarbeiter:innen einbringen und sich auf Ver-änderungen einlassen. 
Zunächst gilt es jedoch, als Führungskraft wie als Mitarbeiter:in das Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein entwickeln zu dürfen sowie den Mut zu zeigen, sich auf das „Abenteuer Vertrauen“ in der Organisation einzulassen.

Die IMO-Studie zeigt, dass der Aufbau von Vertrauenspotential und damit einhergehend ein vertrauenskompetentes (Change-)Management die Berücksichtigung eines breiten Spekt-rums an Faktoren auf struktureller, kultureller sowie auf einer persönlichen Beziehungs-Ebene erfordert.

Harri Fechtner ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Management und Or-ganisation (IMO) GmbH, Bochum
Kontakt:
+49 234 97112-0
harri.fechtner@imo-bochum.de
www.imo-bochum.de

1 Diese Zusammenfassung verzichtet auf den Verweis auf Literaturstellen sowie auf Referenzen und Zitate. Die/der interessierte Leser:in kann Informationen zur vollständigen Studie gerne beim Autor anfordern. Eine differenzierte Darstellung zum wissenschaftlichen Forschungsstand zum interpersonalen Vertrauen finden Sie unter www.imo-bochum.de/diagnostik/unternehmensdiagnostik/vertrauenskompetenz/teil-1/

2 Zentrale Kennzeichen dieser sog. „VUKA-Welt“ sind Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität

3 Dieser Paradigmenwechsel wird durch aktuelle empirische Studien in Unternehmen gestützt, die das Feld „zwischen“ Vertrauen und Misstrauen beleuchten und herausarbeiten, dass die Problematik des Umgangs mit sozialer Komplexität, Mehrdeutigkeit und Unsicherheit in Organisationen mittels mehrerer, alternativer, z.T. komplementärer Strategien bewältigt werden kann.

4 Diese Hauptfaktoren werden in der Regel in eine Anzahl von Teildimensionen aufgeteilt. Dies geschieht ebenfalls
im IMO-VertrauensinventarTM, welches dadurch eine Vielzahl von Ansatzunkten zur Gestaltung des Vertrauenspotentials
generiert.

5 In Anlehnung an Reinhard Sprenger, der die Veränderung allerdings nur auf die Führungskräfteentwicklung,
aber nicht auf die Organisationsentwicklung bezieht.